Die Hand denken lassen
Insofern man Linie als Haltung verstehen will, verfolgt Jani W. Schwob seine Linie. Eine Linie, die sich durch diverse Gattungen der Kunst zieht.
1961 in Leoben geboren und dort aufgewachsen, perfektionierte der Autodidakt sein Zeichnen über die Jahre. Im Grunde, erklärt Schwob, sei er ein Zeichner. Wenn er sich auch - stets anlassbedingt - inzwischen in allen erdenklichen künstlerischen Genres bewegt, liegt seinen Arbeiten jeweils „die Linie" zugrunde: „Mit dem Zeichnen unterstütze ich mein Denken."
In den 1980er Jahren sei er „mit einer völlig falschen Lebensvorstellung" aus Leoben „geflohen", um in Graz mit den Studien der Verfahrenstechnik und Biologie zu beginnen. Bei einem Beginn sollte es dann auch bleiben. Es begab sich darauf, dass Schwob im selben Haus wie der Künstler Wolfgang Buchner wohnte. Aufgrund dessen Zuspruchs wagte sich Schwob in eine erste Ausstellung, 1990 im Galerie-Café Scherbe, wo er unter dem Titel „Augenspiel" Malerei und Grafik in Airbrush-Technik, Öl und Tusche zeigte. Bis heute folgte jährlich mindestens eine Ausstellung neben seinem „Brotberuf" als Grafikdesigner und, seit 2014, Kurator der Kunsthalle Graz.
Mit Sandra Abrams und Arnold Reinisch gründete Schwob 1993 die KünstlerInnenvereinigung ARTOPHOBIA. Den Verein bezeichnet er heute als „Werkzeug", mit dem man in der Szene reüssieren konnte, in dem eigene und Arbeiten anderer Künstlerinnen und Künstler präsentiert und etliche Aktionen realisiert werden konnten. Als etwa die Lord Jim Loge - „mit Dank an den österreichischen Steuerzahler" - mit ihrem Projekt, in Gedenken an Joseph Conrad im Raffles-Hotel in Singapur zu residieren, beim Steirischen Herbst abgeblitzt war, wurde deren Konzept zu ARTOPHOBIAs: Man lud kurzerhand Mitglieder der Loge, darunter Mathias Grilj, Wolfgang Bauer und Jörg Schlick, in das Grazer Restaurant Singapur zum Gelage.
„Sobald etwas funktioniert", erzählt Schwob im Atelier, „muss ich mich mit anderer Arbeit, mit einer anderen Disziplin beschäftigen". Von der Malerei zu plastischen Arbeiten fand er beispielsweise 2009, während einer Künstlerklausur im Stift Rein. Unter dem Arbeitstitel „Zeichen und Spuren" entstanden Objekte, die zwar an Tafelbilder erinnern, aufgrund ihres dreidimensionalen Aufbaus allerdings eher als Plastiken bezeichnet werden können. Offensichtlich ist dabei wieder der grafische Charakter, nachdem floral ornamentale Strukturen mittels Laser Cutter in bewegliche Teile aus ungebranntem Ton geschnitten wurden. Aufgrund der Fragilität des Materials und gegenüber der klassischen Haltung, Kunst möge die Zeiten überdauern, sollten sich diese Arbeiten inzwischen aufgelöst haben. So immerhin Schwobs ursprüngliche Überlegung. Allein, „sie werden nicht kaputt", resümiert der diesbezüglich an seinem Konzept charmant Gescheiterte.
„Ich habe bisher alles ausgenützt, was die Linie hergibt", beschreibt er zusammenfassend seine Arbeit. Das liegt vielleicht daran, dass er von Kindheit an ein Comic-Freak sei. Von der Handzeichnung führen die Methoden über die klassischen Techniken der Druckgrafik bis in Computer-unterstütztes Zeichnen. Form und Bildinhalte zeigen dabei immer wieder pflanzliche Strukturen und Insekten. Insekten spielen auch eine Rolle im demnächst abzuschließenden Langzeitprojekt, das 1993 (!) als Arbeit an einem Comic begann und im Herbst 2019 als Graphic Novel mit dem Titel [Z]WISCHEN in der Kunsthalle Graz präsentiert wird. Eine wilde Geschichte, in der sich eine Frau, ein König und ein Hofnarr im Arbeitsamt begegnen, um in der Folge absurd phantastische Ereignisse zu durchleben, während denen sie etwa zu Fischen und Insekten mutieren, bis schließlich der Superheld Butter Man auftaucht, der die Protagonisten in ein „normales" Leben zurückführt.
Thematisch orientiert kehrt Schwob immer wieder zur Malerei zurück. Was bei seinem Comic vergleichsweise längere Zeit beanspruchte, äußert sich hier als „schnelles Arbeiten" mit rasch trocknenden Acrylfarben. Ein Bild besteht nicht im Kopf, sondern entsteht aus dem Prozess, wobei „immer die Hand denkt". Derzeit in Arbeit ist eine Reihe von Tafeln als Interpretationen altmeisterlicher Heiligenbilder. Eine Immaculata ist hier mit ihrem Smartphone beschäftigt oder ein Sebastian hat sich, ob seiner Vorliebe für Fesseln, eher selbst in eine missliche Lage gebracht. Kanonisierte Bilder in einen gegenwärtigen Kontext zu übertragen, war schon 2017 Thema, als Schwob für die Berliner Galerie Hilbertraum eine Installation unter dem Titel THE LAST FAST einrichtete. Ein Bild finaler Abwesenheit: Anders als zum uns überlieferten Letzten Abendmahl werden nur sechs der Jünger erwartet, die anderen haben per SMS wegen dringender Termine abgesagt. Der Tisch aber ist gedeckt mit Tablets, auf denen Burger aus Beton und Kunststoff angerichtet sind.
Experimente im neuen Metier: Unter dem Namen Die Schmerzspender, Los Dadores de Dolor, traten Schwob, Arnold Reinisch und der Robotiker Niki Passath inzwischen mit Performances auf der Independent Art Fair Stockholm und in der Wiener Galerie Peithner-Lichtenfels auf den Plan. Reinisch fertigt körper- beziehungsweise hautähnliche Objekte, die von Passaths Roboter vor Publikum tätowiert werden. Jani W. Schwob liefert dazu eine akustische Hülle, nach der Raumgeräusche über Computerprogramme in Klänge konvertiert werden, die man auch als Musik bezeichnen kann.
VIDEO: DADORES DE DOLOR en Vienna 2018 | GPL galerie contemporary
Text: ARTfaces / Wenzel Mracek